Das Sanatorium Dsherrelo liegt rd. 25 km von der Hauptstadt Kiev entfernt in einem kleinen Waldgebiet. Normalerweise trifft man dort nur Menschen mit gesundheitlichen Problemen an, die zur Linderung ihrer Beschwerden u.a. physiotherapeutische Behandlungen bekommen.
Jetzt ist das Sanatorium überfüllt, mit Familien und Waisenkindern, die das Glück hatten rechtzeitig aus den Kampfgebieten der Ostukraine zu entkommen, und die jetzt im Sanatorium erst einmal ein neues Zuhause gefunden haben.
Dieses Sanatorium war auch eine der Stationen während einer Reise meines Ehemanns, Rolf Flöder, und mir nach Kiev. Wir hörten die Erzählungen der Menschen und die Berichte ihrer Betreuer. Lebensgeschichten und Schicksale drehten sich hauptsächlich um die Kriegsmonate, Vertreibung, Flucht und den unsicheren Blick in die nahe Zukunft.
Für den Tag im Sanatorium hatten wir zur Ablenkung der Familien und Kinder Festlichkeiten und ein Unterhaltungsprogramm vorbereitet. Spielaktivitäten und Musikdarbietungen nahmen die Kinder nach und nach mit großer Begeisterung an. Kleine Geschenke, Bücher und dazu natürlich jede Menge Süßigkeiten, ließen ihre Herzen höherschlagen.
Spiele zum Beginn wechselten sich mit Musik und Tanzvorführungen ab. Angereiste Künstler und Darbietungen einzelner Kinder aus dem Sanatorium waren zu sehen und zu hören.
Die Kinder waren ziemlich zurückhaltend, wirkten wie auf ihre Stühle angeklebt, und schauten mit ängstlich dreinblickenden Augen in Richtung der kleinen Bühne des Gemeinschaftsraumes, ein kleiner, zweckmäßig, aber gemütlich geschmückter Saal.
Zuerst konnte oder wollte sich keiner rühren. Es schien als fragten die Kinder: „Ja, was machen die denn hier? Sind aus Deutschland gekommen, um uns zu bespaßen? Soviel Mühe für uns?“ – Ja, einfach so!
Dann lösten sie sich von ihren Gedanken und wurden doch neugierig. Spiele … Musik … Überraschungen. Die innere Stimme sagte dann doch, „Mach mit! Das macht Spaß!“
Und viele machen schon begeistert mit. Sie beginnen zu lachen und vergessen, was für sie noch vor einer Woche Lebensalltag war.
Schon sind die Kinder im Spiel, bilden Gruppen, nehmen Bühne und Vorraum der Bühne in Beschlag und spielen zusammen, auch mit all den Helfern.
Und der Onkel Rolf aus Deutschland! Er ist ja der schlechteste im Team, oh je, da müssen ihm die Kinder aber helfen. Der Onkel Rolf aus Deutschland – versteht so schlecht ukrainisch, daß er die Aufgabe falsch ausführen will. Wir wollen doch gewinnen, die Knoten müssen doch richtig gebunden werden. Alle lachen sich krank. Der Onkel ist aber so ein Netter, da wollen auch alle helfen.
Gerade seine Hilfslosigkeit macht die Kinder stark und sie sehen, sie können vieles schaffen. Es wird lustiger und lustiger! Die Kinder mögen uns langsam.
Dann schauen sie, welche Süßigkeiten wir auf dem Tisch vorbereitet haben … sie trauen sich das zu probieren, bis sie ohne zu fragen losrennen und sich neue Sachen aus den Kartons rausgeben lassen.
Die Kinder fühlen sich sehr wohl und sind glücklich. Sie bekommen Geschenke und können kaum glauben, dass vieles davon direkt aus Deutschland gekommen ist.
Herr Rohrer hat den Kindern Schreibwaren gespendet, die wir im Gepäck aus Deutschland mitgebracht haben. Vielen Dank, Herr Rohrer. Direkt aus Deutschland, und jetzt ist das in meiner Hand und gehört mir!!!! Die Kinder konnten es kaum glauben. Oder doch?
Ich bin den Anderen wichtig. Das ist ein sehr schönes Gefühl!
Es waren auch viele Erwachsene im Saal, die saßen still da und beobachteten alles. Als das Fest zu Ende war, bedankten sie sich mit Tränen in den Augen und erzählten ihre persönlichen Geschichten.
Tamara (65) konnte mit dem Bus flüchten und hat 6 Kinder mitgenommen. Zwei eigene Kinder und vier weitere, von der Straße aufgelesen. Die hatten sich in einem zerstörten Haus versteckt. Über den Verbleib ihrer Eltern wussten sie nichts.
Tamara erzählte weiter, sie konnte nichts mitnehmen und hatte selbst nur ihre Gummisandalen an, als hier ankam. Sie hat kein Geld und kann das Gelände des Sanatoriums nicht verlassen, weil es bereits kalt ist. Die Kinder haben keine Kleidung, aber sie leben und freuen sich, dass sie heute so eine schöne Veranstaltung erleben durften.
Wir haben Tamara Geld gegeben, damit sie den Kindern fürs Erste die Schuhe und Kleidung kaufen kann.
Die ukrainische Grivna hat inzwischen stark an Wert verloren und schon mit einem Betrag von nur 30 Euro kann sich eine Familie das Nötigste im Land kaufen.
Irina (23) ist hochschwanger. Sie konnte im letzten Augenblick flüchten. Sie weiß nicht wie es weitergehen soll.
Olga (27), alleinstehend, konnte mit ihrem vierjährigen Sohn Sascha flüchten. Sie erzählte uns, dass ihr Bruder auf der anderen Seite der Grenze in Russland lebt. Er ist Soldat und weiß nicht, ob auch er zum Einsatz in die Ukraine geschickt wird.
Mit so einem schweren Herzen muss sie leben. Sie ist aber eine sehr positiv eingestellte Frau, und war sehr begeistert davon, was wir ihrem Sohn heute geschenkt haben. Sie hat ihr Haus und ihre Arbeit als Juristin verloren, sie ist aber sehr froh, daß sie lebt und daß ihr Kind jetzt in Sicherheit ist.
Dann ging es in den Speisesaal zum Mittagessen. Es war schön, zusammen mit all den Menschen in einem Raum zu sein und mit ihnen das Brot zu teilen. Die Stille beim Essen
verstärkte noch die traurigen Blicke.
Man spürt die erdrückende Hilflosigkeit. Lösungen – Neuanfang. Aber wie?
Zum Mittagessen haben alle Borschtsch bekommen. Das ist eine berühmte, traditionelle Suppe aus roter Bete und Kartoffeln – eigentlich mit Fleisch. Aber Fleisch gab es heute nicht. Wenn einmal Fleisch gespendet wird, ist es den Kindern vorbehalten.
Uns hat es gut geschmeckt.
Die Köchin erzählte uns, daß sie noch Lebensmittelvorräte für drei Tage hat. Beinahe täglich bringen Anwohner Lebensmittelspenden mit Ihren Privatfahrzeugen, darunter Brot, Nudel, Kartoffeln, Zucker. Auch Spenden mit gut erhaltener Kleidung und Schuhen werden manchmal gebracht.
So leben die Menschen hier und sie hoffen, alles wird bestimmt wieder gut werden. Sie ahnen schon, daß es nicht so bald sein wird. Sie müssen einfach weiter leben, für die Kinder, für sich und für die Zukunft des Landes und ihren Anteil leisten, damit sie es besser haben.
Für die Menschen hier ist das eine unbeschreiblich schwere Situation, da keiner weiß, wie man sein Leben verbessern kann, weil das z. Zt. nicht in seiner Macht steht. Alle schauen nach Westen und hoffen auf Hilfe.
Wir haben uns entschieden, die Menschen, und besonders die Kinder, nach unseren Möglichkeiten zu unterstützen. Jede Spende zählt und lindert Not. Lebensmittel und Kleidung sind im Land reichlich vorhanden. Allein es fehlen den Menschen die Mittel zum Kauf. Gutes tun bedeutet auch zu helfen, daß es einer Familie besser geht.
Die Kinder haben ein Recht zu leben und zu träumen. Wir wollen den Kindern den Glauben an Wunder vermitteln und Ihnen zeigen, daß sie die Hoffnung niemals verlieren müssen.
Wir bedanken uns bei allen, die unsere Projekte unterstützen.
Natalya Pastukhova
Wenn Sie unsere Projekte mit Geldspenden unterstützen wollen, steht Ihnen dafür das nachgenannte Konto zur Verfügung. Wir weisen aber hier ausdrücklich darauf hin, daß wir keine gemeinnützige Organisation sind, die von den Finanzbehörden anerkannte Spendenquittungen ausstellen können.
Bank: Sparda-Bank West eG
Kto.-Inhaber: Rolf Flöder
IBAN: DE08 3606 0591 0000 2469 00
BIC: GENODED1SPE
Verwendungszweck: Projekt Kinder-Ukraine